Was ist Marke: Über die Ziele, den Zweck und den Prozess zur Marke.

Neulich fragte Arne was eine Marke ist und wie man zur Marke wird. Aus einer kurzen Frage ist ein längerer E-Mail-Austausch entstanden, den ich euch nicht vorenthalten will.

Betreff: was ist marke

Lieber Eduard, als wir uns neulich über den Weg liefen, meintest du ja, ich kann mich bei dir melden, sollte ich Fragen zu deinem Metier haben. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen. Wie du weißt bin ich gerade dabei, ein Produkt marktreif zu entwickeln. Mit meinem Marketing-Team diskutiere ich aktuell rund um die Themen Markenstrategie und Markengestaltung. Was wir aber bis dato nie gemacht haben, ist den Begriff Marke mal genauer zu definieren. Das wäre aus meiner Sicht aber wichtig.

Auf meine Fragen dazu bekomme ich meistens eher ausweichende Antworten. Unterschiedliche Definitionen schwirren zwar genug durchs Netz, die Suche nach EINER befriedigenden Antwort war bisher aber nicht erfolgreich. Nach einer (zugegebenermaßen eher kurzen) Webrecherche herrscht in meinem Kopf das reinste Chaos. Kannst du mir helfen?

AW: Was ist marke

Hallo Arne, schön von dir zu hören. Es gibt in der Tat jede Menge Ansätze SEHR unterschiedlicher Natur, je nach dem von wem sie kommen. Als Kommunikationsdesigner spreche ich sicherlich anders über Marke, als die Marketing Leute. Lass uns mal versuchen, das Chaos in deinem Kopf etwas ordnen.

Es gibt jede Menge Manager, die dir sagen werden: »Das Produkt ist alles, die Marke ist nur kommunikatives Beiwerk«. Aus der anderen Ecke kommen unzählige Allgemeinplätze. So was wie »Erkennungszeichen für ein Produkt. Eine Marke kann einzelne Produkte oder eine Gruppe von Produkten markieren«. Jeder hat da seinen Standpunkt – ich auch. Und ich halte die erste Aussage für falsch und die zweite für nicht ausreichend. 

Eine Definition, mit der wir aus diesem Manko rauskommen und an der ich mich orientiere, ist die von Manfred Bruhn. Sinngemäß sagt er, eine Marke besteht aus einer unterscheidungsfähigen Markierung, also einem rechtlich geschützten Zeichen. Einem Absatzkonzept, sprich Vertriebs-, Preis- und Servicekonzept. Und einem Qualitätsversprechen, das eine dauerhaft werthaltige und nutzenstiftend Wirkung erzielt.

Es werden hier drei Perspektiven deutlich: Die Marke aus einem rechtlichen Standpunkt, aus betriebswirtschaftlicher Perspektive und aus der Sicht der Kommunikation. Den ersten Punkt (Markenrecht) lasse ich mal weg. Beim Zweiten kennen sich deine BWLer am besten aus. Ich konzentriere mich bei meiner Ausführung auf den dritten Aspekt – eine Marke als Qualitätsversprechen. 
Rechtlich geschütztes Zeichen, Absatzkonzept und Qualitätsversprechen. Sichtweise Kommunikation und Gestaltung.

Eine Marke besteht aus einer unterscheidungsfähigen Markierung, also einem rechtlich geschützten Zeichen. Einem Absatzkonzept, sprich Vertriebs-, Preis- und Servicekonzept. Und einem Qualitätsversprechen, das eine dauerhaft werthaltige und nutzenstiftend Wirkung erzielt.

Betreff: Marke als qualitätsversprechen

Dank dir für die Begriffsklärung. Das von dir hervorgehobene Qualitätsversprechen baut ja im Grunde auf Vertrauen auf. Also ohne Qualität kein Vertrauen, ohne Vertrauen keine, zumindest längerfristige Beziehung möglich. Da kann das Versprechen noch so groß sein. Oder?

aw: Marke als qualitätsversprechen

Ganz wie du schreibst, Ausgangspunkt und Zielrichtung in einem ist das Vertrauen. Denn der einzig beständige Wert der Marke bleibt das kollektive Vertrauen. Vilim Vasata sagte: »Eine Marke ist eine Beziehung. Eine Beziehung auf Dauer.« Da steckt schon der Kern drin. Dauer und Beziehung = Vertrauen. Gleichzeitig steckt in Vasatas Aussage ein sinnstiftender Aspekt. Wir alle sind dauernd auf der Suche nach Gemeinschaft und Beständigkeit. Funktionierende Beziehungen – das weiß die Neurologie und unser innerer Kompass – gehören zum wertvollsten, was einem als Mensch im Leben passieren kann. Der Mensch sucht nach Anerkennung, Zuspruch und Verwirklichung, um dem Gefühl von Einsamkeit zu entkommen. Dies tut er, indem er Gemeinschaften bildet und Gleichgesinnte sucht, mit denselben Vorlieben. Leute, die uns verstehen und an denen wir uns orientieren können. 

Gute Marken wissen das und kommunizieren ihre Wertvorstellungen, ihr Weltbild. Die Kunden erkennen sich in den Werten wieder und bauen eine emotionale Beziehung auf. Oder aber sie erkennen Eigenschaften, die sie für erstrebenswert oder noch besser für begehrenswert halten und lassen sich deshalb auf eine Beziehung ein. Das ist der eine Punkt.
Identifkiation mit Marke. Sichtweise Kommunikation und Gestaltung.

Der andere ist, dass erfolgreiche Marken die Bedürfnisse ihrer Kunden kennen und sie klar adressieren. Dadurch entstehen starke Emotionen. So schafft die Marke einen funktionierenden Ersatz für eine ziemlich verloren gegangene Beziehung zwischen Hersteller und Verbraucher. Das macht Marken aus und ist viel überzeugender als die rationale Nutzenbeziehung zu einem meist standardisierten Produkt. Marken sind also so etwas wie eine universale Belohnungs- und Sinn-Maschine. Die Wirkmacht im Hintergrund, das unsichtbare Band, die Soft Power. Ganz am Ende bzw. ganz am Anfang, ganz wie du willst, geht es aber auch schlichtweg darum, die Erwartungen der Kunden zu erfüllen. 

Funktionierende Beziehungen – das weiß die Neurologie und unser innerer Kompass – gehören zum wertvollsten, was einem als Mensch im Leben passieren kann.

Betreff: Der zweck einer Marke

So wie du schreibst dient die Marke also als Projektionsfläche eines tiefen Verlangens des Menschen nach Gemeinschaft. Und wenn ich es mir genau überlege, ist der Aufbau von dauerhaften Beziehungen, vor allem in unseren schnelllebigen Zeiten, ein ziemlich anspruchsvolles Unterfangen. Und wenn es gelingt, ein Alleinstellungsmerkmal. Verstehe ich es richtig, dass die dauerhafte Beziehung dann so was wie der Reason Why, also der Zweck der Marke ist? Wie genau entwickelst du eine Marke konkret? Wie baut man Vertrauen auf?

Betreff: durch rhetorik zur marke

Beziehungen entstehen nicht in Sekunden, und noch viel weniger tut das Vertrauen. Die Schlussfolgerung daraus: Eine Marke ist nicht, sie wird. Es braucht also Zeit und Überzeugung. Ich stelle mir eine Marke wie einen Redner vor. Und damit sind wir direkt bei der Rhetorik. Wenn wir uns die Rhetorik anschauen, dann gibt es dort seit Aristoteles die drei wesentlichen Begriffe Logos, Ethos und Pathos. Kurz zusammengefasst ist mit Logos das Argument gemeint, mit dem wir Sach- und Fachkompetenz vermitteln. Ethos entspricht unseren Wertvorstellungen und Pathos den Emotionen, die der Absender beim Publikum gezielt erzeugen möchte. Das sind Muster, die sich in jeder guten Rede wiederfinden. Kennt man diese Muster, ist es enorm hilfreich, ihre wichtigsten Überzeugungsmittel zu identifizieren. Und stellt sicher, dass man keines vergisst. Kurzum, die Methodik hilft mir enorm dabei strukturiert vorzugehen.
Überzeugungsmittel nach Aristoteles in der Rhetorik. Sichtweise Kommunikation und Gestaltung.

Ich sammle also mit den Kunden systematisch die eigenen Vorteile und Stärken und wir schauen uns die Bedürfnisse und Erwartungen der jeweiligen Zielgruppen genau an. Dann analysieren wir den Wettbewerb und leiten daraus ein relevantes Versprechen ab. Daraus formulieren wir eine glaubwürdige Positionierung und sich ergebende Maßnahmen. Das alles zusammen ergibt den Strategieprozess, den wir in Schleifen auf seine Konsistenz und Logik überprüfen. So überlassen wir nichts dem Zufall.

Die beste aller möglichen Strategien ist jedoch erfolglos, wenn der Inhalt in seiner Form ausdruckslos übersetzt ist. Deshalb geht es im gesamten Prozess auch immer darum, der Strategie Sinn und Sinnlichkeit zu verleihen. Um eine unmittelbare Wirkung zu erzielen, damit sich die Marke entfalten kann. Eine allumfassende sinnliche Erfahrbarkeit der Marke wirkt unmittelbar und emotionalisiert stärker als ihre rein verbale Erzählung und hilft dem Betrachter sich zu orientieren. Das Erscheinungsbild sagt mehr als tausend Worte ;)

Eine allumfassende sinnliche Erfahrbarkeit der Marke wirkt unmittelbar und emotionalisiert stärker als ihre rein verbale Erzählung und hilft dem Betrachter sich zu orientieren.

aw: durch rhetorik zur marke

Ich dachte ja, du machst gegen Ende einfach nur die Sachen schön. Nicht falsch verstehen.

Klingt für mich alles soweit nachvollziehbar, aber immer noch etwas abstrakt. Hast du mir dazu ein konkretes Beispiel zur Hand, um das noch klarer zu greifen und begreifen?

betreff: Design ist mehr als schnell mal schön

Das denken viele. Aber es ist, wie Maren Martschenko es in ihrem Buchtitel treffend auf den Punkt bringt: »Design ist mehr als schnell mal schön.« Design formt wie beschrieben Beziehungen und erhält sie auf Dauer.

Hier ist ein Beispiel für ein Start-up, das ich entwickelt habe. Falls du noch mehr Anschauungsmaterial brauchst, kann ich dir gerne den Case von Chobani empfehlen. Ein großartiges und viel besprochenes Projekt mit exzellenter Gestaltung. Falls du weitere Fragen hast oder mehr Beispiele brauchst kannst du mir gerne jederzeit schreiben.


Illustrationen: Alex Wucherer
HTWG Konstanz Semester Magazin Sichtweise Gestaltung

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Eduard Helmann
Kommunikationsdesign (M.A.)